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In diesen Wochen werden in der Schweiz in allen Branchen die Löhne für das kommende Jahr bekanntgegeben. Ein Plus von ein bis zwei Prozent inklusive Teuerung ist in etwa der Massstab. Davon können die Freien nur träumen. Im Gegenteil: Die Honorare werden immer schlechter.
Von Fabian Eberhard und Eva Pfirter

Die Situation von freien Journalisten ist prekär.” Das sagt der langjährige Journalist und Medienkenner Karl Lüönd. Lüönd ist nicht als Gewerkschafter bekannt und hat einige Jahre das Medieninstitut der Verleger geleitet. Lüond hat selbst als Regionalkorrespondent in der Innerschweiz angefangen und war für sechs verschiedene Titel tätig. Die Freien würden heute, so Lüönd, zunehmend unanständig behandelt. „Es werden minimale Honorare bezahlt und am laufenden Band Copyrights verletzt”, sagt der Branchenkenner. „Das Geld, das bei einem freien Journalisten auf dem Bankkonto landet, ist nicht gleich das verdiente Geld. Lediglich 50 bis 60 Prozent des Honorars bleiben übrig, denn der freie Journalist muss sich nicht nur seinen Arbeitsplatz selber finanzieren, sondern auch Ferien, Krankheit, Unfälle bezahlen und flaue Zeiten durchstehen können.” Lüond ist überzeugt, dass ein freier Journalist mindestens 800 Franken pro Tag erhalten sollte.
Eine Umfrage von EDITO bei einer grösseren Zahl von freien Journalisten zeigt, dass die Realität der Freien aber eine ganz andere ist.

Sonntagspresse. Die „SonntagsZeitung” bezahlt grundsätzliche nach Aufwand; über die Anzahl Tagesansätze, die pro Artikel bezahlt werden, könne verhandelt werden, sagt ein freier Journalist. Für einen Seitenaufmacher seien in der Regel 2 Tagessätze üblich, für einen „Aufmacher” auf der ersten Seite eines Bundes 2,5 bis 3. Der Tagesansatz betrage 500 Franken. (Mit einzelnen langjährigen Korrespondenten seien etwas höhere Tarife ausgehandelt, ergänzt die „SonntagsZeitung”). Ein anderes Beispiel nennt uns Markus Rohner: Eineinhalb Seiten im Reisebund wurden ihm mit 1800 Franken vergütet. Rohner, der schon lange als Freier schreibt, findet, die Sonntagszeitungen würden fair bezahlen.
Bei der „NZZ am Sonntag” wird gemäss mehreren Journalisten je nach Ressort anders bezahlt. Für einen rund 8000 Zeichen langen Artikel zu einem medizinischen oder geisteswissenschaftlichen Thema bezahle ihm die „NZZ am Sonntag” zwischen 700 und 900 Franken, sagt Christian Bernhart. Deutlich weniger ist es im Kulturbund: Für eine 5000 Zeichen lange Rezension eines 700-seitigen Sachbuches bezahlt die „NZZ am Sonntag” 400 Franken, berichtet Klara Obermüller. Für ein literarisches Porträt erhielt sie etwas mehr: rund 600 Franken.
Tessin-Korrespondentin Barbara Hofmann erhält einen Tagesansatz von 600 Franken und ein Aufwandsfixum von 300 pro Monat. Martin Alioth, Korrespondent für England und Irland, wird für eine grössere Hintegrundgeschichte inklusive Box mit 1200 Franken honoriert, für ein Porträt auf der Aufschlagseite im Hintergrundbund mit 800 Franken. Alioth arbeitet auch noch für Radio DRS: „Dort gibt es eine Faustregel: Für Gespräche und Beiträge ohne O-Töne gibt es 240 Franken, für Beiträge mit O-Tönen 300 Franken.” Für einen Arbeitstag bezahle ihm Radio DRS wie die meisten anderen Medien 500 Franken.
Im Ressort Wissen der „NZZ am Sonntag” werde deutlich weniger bezahlt: „Für einen Artikel, an dem ich mehr als drei Tage arbeitete, bekam ich 300 Franken”, sagt Hofmann. Der Text sei ursprünglich umfangreicher geplant gewesen und dann aus Platzgründen gekürzt worden. So sei auch begründet worden, weshalb sie für den aufwendig recherchierten Text nur 300 Franken erhalten habe. Irène Dietschi, freiberufliche Journalistin und Buchautorin nennt für das Ressort „Wissen” wieder andere Zahlen: 1200 für eine Seite, 800 für Zweidrittel der Seite – unabhängig vom Aufwand.
Beim „Sonntag” sei die Honorierung Verhandlungssache, sagt Christian Bernhart: „Für etwa zwei Tage Arbeit vergütet der ‚Sonntag’ rund 1000 Franken.”

Magazine, Wochenzeitungen. Die „Weltwoche” bezahlt laut Bernhart 1500 Franken für eine Doppelseite. Der Journalist B sagt, die „Weltwoche” zahle sehr gut: Für ein 18 000 Zeichen langes Interview mit Biographie-Box erhielt er beispielsweise 2500 Franken.
Laut Irène Dietschi bezahlt der „Beobachter” in Tagesansätzen von 500 Franken; hinzu kommen eine „Büropauschale” von 40 Franken, die Rückerstattung von Spesen und ein Gratis-Abonnement für den „Beobachter”. Die Redaktion selbst ergänzt, es werde nicht nach Länge des Textes, sondern nach belegbarem und vorgängig vereinbartem Aufwand honoriert. Dem stimmt auch Dietschi zu. Sie hätte auch schon einmal für nur 4000 Zeichen 2500 Franken erhalten. Dieser Betrag sei aber am oberen Ende der Honorar-Skala, sagt der stellvertretender Chefredaktor Matthias Pflume.
„Das Magazin” bezahlt für „Ein Tag im Leben von” 600 Franken.

Tageszeitungen. Bei den Tageszeitungen sind Tagesansätze seltener, häufiger wird ein fixes Honorar pro Artikel bezahlt.
Der „Tagesanzeiger” bezahle für eine rund 10 000 Zeichen umfassende Hintergrundseite zwischen 1000 und 1200 Franken, wie die Journalistin C erzählt. „Der Aufwand spielt keine Rolle”, sagt die langjährige Medienschaffende. Noch weniger zahlt der Bund „Kultur/Leben”: Für ein ganzseitiges Porträt erhalte man da 500 Franken, sagt ein freier Journalist. Die Redaktion sagt dazu: Die „Kultur” bezahle für eine komplette Seite eher 600 bis 700, der „Hintergrund” gehe bei sehr aufwändigen Geschichten bis auf 1500 Franken.
Deutlich weniger bezahlen die Split-Redaktionen des „Tagesanzeigers”. Der Journalist D erzählt, dass er auch für längere Artikel nur 180 Franken erhalte; für eine Konzertbesprechung gar nur 150 Franken. Diesen Betrag bestätigt der Journalist E; auch er erhielt pro Artikel 180 Franken von der Regionalredaktion des „Tagesanzeiger”.
Der Journalist Gerhard Lob erzählt, beim „Bund” erhalte er für einen 9000-Zeichen langen Artikel auf der Reise-Seite inklusive Infokasten von 1500 Anschlägen 300 Franken. Denselben Betrag bezahle die Zeitung laut einem anderen Freien auch für Texte, die eine halbe Seite umfassen. Der Journalist berichtete, bei einem kürzeren Text, dem eine zweitägige Recherche vorausging, habe es sich um einen Primeur gehandelt. Andere befragte Journalisten (J und H) werden im Stundenlohn zu 33 Franken bezahlt. Der „Bund” hat offenbar verschiedene Honorierungssysteme. Das bestätigt Chefredaktor Artur Vogel. Ebenso das Honorar von 300 Franken für eine Reiseseite sowie den Stundenansatz. Er ergänzt jedoch: „Ältere Kollegen bekommen bedeutend mehr; die Grössenordnung ist etwa 500 Franken pro Tag. Die übrigen Artikel werden teils nach festen Tarifen (z.B. für Buch- oder Konzertbesprechungen), teils nach Aufwand (stunden- oder tageweise) bezahlt.” Etwas besser bezahlt die „Berner Zeitung”: Für eine Doppelseite erhielt Christian Bernhart 1000 Franken. Der Journalist F, der auch für die NZZ arbeitet, erzählt, die „Berner Zeitung” bezahle für 3000 bis 4000 Zeichen zwischen 200 und 250 Franken, was andere Freie (K) bestätigen.
Die „Basler Zeitung” bezahlt laut Helen Weiss, Mitglied eines Pressebüros, für die wöchentlich erscheinende Bildungsseite mit rund 6000 Zeichen 500 Franken. In den anderen Ressorts werden gemäss einem anderen freien Journalisten für 5000 Zeichen zwischen 400 und 500 Franken bezahlt. David Thommen, Mitglied der Chefredaktion bei der BaZ, differenziert: „Die Aufwandkomponente spielt bei uns ebenfalls eine Rolle. Für einen qualitativ hochwertigen Text eines bekannten Journalisten zahlen wir zweifellos mehr als für eine Berichterstattung eines jungen Schreibers über einen Fussballmatch in einer unteren Liga. So gesehen kann ich die Angabe von 400 bis 500 Franken für 5000 Zeichen in keinster Weise bestätigen.”
Die „Neue Luzerner Zeitung” honoriert in der Regel nach Aufwand zwischen 200 und 600 Franken; für eine exklusive Geschichte bezahle sie auch mal 800 Franken. Helen Weiss sagt, sie erhalte bei der „Neuen Luzerner Zeitung” für 7000 Zeichen jeweils 300 bis 400 Franken. Oft seien das Zweitverkäufe.
„Der Landbote” bezahlt für die Panoramaseite 300 Franken, sagt eine Journalistin (P). Eine andere freie Mitarbeiterin spricht von Honoraren zwischen 120 und 180 Franken; bei letzteren handle es sich um grössere Reportagen oder Porträts. Karl Lüond erhält bei der gleichen Zeitung 300 Franken pro Kolumne.
Christian Bernhart, der auch für die „Berner Zeitung” schreibt, erzählt, dass er bei der „Aargauer Zeitung” 240 Franken für einen Auslandartikel erhalten habe. Der Text umfasste 5200 Zeichen. In einem ähnlichen Bereich honorieren die „Schaffhauser Nachrichten”: Laut G erhält man für einen 5000 Zeichen langen Text in den Ressorts „Reisen”, „Wohnen”, „Gesellschaft” zwischen 250 und 300 Franken. Und Journalist H erhielt beim „Bieler Tagblatt” Zwischen 150 und 250 Franken pro Artikel.

Kritik nicht nur am Honorar. Die befragten Journalisten beklagen nicht nur die tiefen Honorare, sondern erzählen auch von anderen Schwierigkeiten als Freie. Viele verweisen auf die nicht bezahlte Arbeit: Schon der Aufwand, bis ein Freier überhaupt ein Thema im Blatt habe, sei oft enorm. „Und dann leistet man viel Vorrecherche, telefoniert herum, bis ins Ausland, danach wird es – expressis verbis – ‚aus Platzgründen’ eine Kurznachricht und man erhält 150 Franken,” erzählt Barbara Hoffmann. „Werden anstatt wie abgemacht nicht 100 Zeilen, sondern nur 80 Zeilen gedruckt, werden diese 20 nicht bezahlt,” sagt eine Kollegin. Ähnliche Aussagen hören wir oft.
Die Journalistin P klagt, es würden ihr keine AHV-Abzüge gemacht. Ein Kollege kritisiert, dass man heute die Rechte am Text an den Verlag abtreten müsse. Und ein weiterer ergänzt, dass die zusätzliche Verwertung über Online nicht entschädigt werde. Bemängelt wird auch, dass man bei der Arbeit von der Redaktion kaum betreut werde und kaum Feedback erhalte, sagt zum Beispiel E. Frustrierend sei auch, wenn man einen Primeur bringe, der Nachfolgegeschichten auslöse, die dann aber von der Redaktion selbst realisiert werden.
Als Journalist müsse man eigentlich ein Idealist sein, sagt E. „Ob ich an den vereinbarten Textzeilen zwei Stunden oder drei Tage arbeite, spielt keine Rolle, aber das schadet doch der Qualität der Zeitung”, meint eine junge freie Journalistin. Sie spricht damit an, was viele beschäftigt: Die Bereitschaft, zugunsten der Qualität Kompromisse eingehen zu müssen. Martin Alioth beschreibt ein Beispiel: „Ein sorgfältig gebautes, bestelltes Halbstunden-Feature fürs Radio (Kontext, Reflexe) sei in drei Arbeitstagen zu schaffen, meint die Redaktion. Ich glaube, relativ speditiv und produktiv zu arbeiten, und schaffe eine halbe Stunde eigentlich nicht in weniger als sieben Arbeitstagen, alles inklusive.”
Wie prekär die Situation für viele ist erfährt man am Beispiel eines seit 18 Jahren tätigen Freien, der anonym bleiben will: „Seit Mitte dieses Jahres habe ich nicht mehr genügend Umsatz, um meine fünf-köpfige Familie über die Runden zu bringen. Das führte dazu, dass ich nun teilzeitlich etwas ganz anderes machen muss.”
Verschiedene Freie haben EDITO über Beispiele berichtet, bei welchen sie einen Auftrag wegen des tiefen Honorars abgelehnt hatten. Darunter waren auch gestandene Namen, welche von renommierten Titeln spannende Themen für lange Geschichten angeboten erhielten, aber das vordergründig grosse Honorar im Verhältnis zum notwendigen Aufwand als zu tief bewerteten.
Vielen Freien mache zu schaffen, dass die Honorare ”Pi mal Daumen” festgelegt werden und keine richtigen Ansätze mehr existieren. Kurt Brandenberger, langjähriger Journalist, fasst pointiert zusammen: „Es wird ‚hundsmiserabel’ honoriert. Aber leider gibt es auch gestandene Freie, die den Redaktionen ihre Texte für ein Butterbrot überlassen, nur damit sie ab und an noch als Journalisten wahrgenommen werden. Ihre Existenz bestreiten sie mit PR-Aufträgen.”

Dem Abnehmer ausgeliefert. Was für ein Fazit lässt sich aus dem Überblick ziehen? Grundsätzlich gelten 500 Franken als gängiger und akzeptierter Tagesansatz. Die entscheidende Frage dabei ist aber auch, wieviele Tage für einen Auftrag gewährt werden. Überblickt man die gesamte Branche, fällt auf, dass unterschiedlich honoriert wird. Es gibt keine transparenten Ansätze, an welchen man sich orientieren könnte. Obwohl es noch adäquate Bezahlungen gibt, muss man feststellen: Die Honorare sind unanständig tief.
Karl Lüönd spricht vielen Freien aus dem Herzen, wenn er die Honorarforderung von 800 Franken begründet: Ein Freier müsse Kontakte pflegen, sich thematisch à jour halten und sein Fachwissen weiterentwickeln. „Ein freier Journalist, der sich als Marke versteht, hat durchaus eine Chance”, sagt Lüönd. „Doch diese Marke will stetig gepflegt sein und das erfordert kontinuierlich Investitionen.” Der Journalismus sei der einzige Bereich, analysiert Lüönd trocken, in dem der Abnehmer des Produkts den Preis bestimmt und nicht der Produzent.

Fabian Eberhard ist Journalist in Zürich, Eva Pfirter Journalistin in Bern.


EDITO hat im Rahmen einer grösseren Recherche Beispiele zusammengetragen, welche Honorare freie Journalisten in der Schweiz verdienen. EDITO befragte sowohl jüngere als auch langjährige Freie, Arriviertere und Unbekanntere, Autoren, die bei verschiedenen Titeln publizieren.
Die Auswahl geschah zufällig und ist nicht repräsentativ; wir meinen jedoch, dass sie einen typischen Einblick in die Honorar-Realität der Freien vermittelt. Aus verständlichen Gründen haben einige Kolleginnen und Kollegen ihre Aussagen anonym machen wollen. Alle Namen sind der Redaktion bekannt. Im Anschluss an die Recherche konfrontierte EDITO die Redaktionen mit den Angaben zu den Honorarzahlungen. Einige haben uns darauf geantwortet.
EDITO will die Honorarsituation der Freien transparent machen, weil wir meinen, dass sie mehrheitlich ungenügend und schlecht ist: für die betroffenen Freien, aber auch für den Journalismus in der Schweiz. Gleichzeitig kann die Übersicht eine Orientierungshilfe bieten im oftmals komplexen und komplizierten System der Honorare der grösseren Schweizer Medien.
Andere Beispiele und Erfahrungen, auch positive, werden wir im kommenden EDITO publizieren.

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