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Villi Hermann zeigt in einem Dokumentarfilm, wie der Fotograf Andreas Seibert
in China eine mehrjährige Reportage über Wanderarbeiter realisiert.

Andreas Seibert ist nach Jean Mohr, Jean-Pierre Pedrazzini und Christian Schiefer der vierte Fotograf, über den der Dokumentarfilmer Villi Hermann einen Film gedreht hat. „Die Fotografen müssen sich im Unterschied zu uns Filmern auf einen Moment konzentrieren”, erklärt Hermann. „Seibert fotografiert zudem analog, mit relativ wenigen Aufnahmen, arbeitet nur mit natürlichem Licht. Er beobachtet und wartet oft. Dieser Luxus des Schauens fasziniert mich.
Der Schweizer Seibert hat Wohnsitz in Tokyo und arbeitet seit 2002 schwergewichtig über das Thema Wanderarbeiter in China. Für eine Reportage bereitet er sich in Tokyo lange und genau vor: mit Vorrecherchen, bei Absprachen mit dem Übersetzer, welcher vor Ort Situationen erklären und vermitteln kann. Für die Aufnahmen in China ist Seibert jeweils etwa zwei bis drei Wochen unterwegs.
150 Millionen Bauern verlassen in China jährlich die ländlichen Regionen und suchen in den Städten Arbeit. Seibert begleitet sie auf ihren langen Reisen, dokumentiert die desolaten Lebenssituationen und die harte Arbeit der Wanderarbeiter. Er fotografiert die Arbeiter in den Städten, besucht Dörfer, aus welchen sie ausgewandert sind, und zeigt die dortige Lebenssituation. Wir sehen so ein Stück von China: gigantische Bauten in den Städten, Fabriken, ärmliche Arbeiterunterkünfte, ländliche Regionen, Obdachlose, Menschen unterwegs – immer mit Bezug zu den Wanderarbeitern.
Der Film „From Somewhere to Nowhere – Unterwegs in China mit dem Fotografen Andreas Seibert” zeigt den Fotografen während drei Reportagereisen bei seiner Arbeit. Villi Hermann begleitet Seibert, filmt an den Schauplätzen, an welchen Seibert fotografiert, und zeigt uns, wie der Fotograf vor Ort arbeitet.
Seibert fotografiert analog. Nach der Reise wählt er die wichtigsten Bilder anhand von Kontaktkopien aus, scannt sie und druckt sie digital aus. „Die Zeit, welche die analoge Fotografie vom Fotografen fordert, von der Aufnahme über die Filmentwicklung bis hin zum fertigen Bild, ist für den ganzen Prozess gut: Mit etwas Langsamkeit entstehen bessere Bilder.”

Kraft des Standbildes. Seibert möchte „wichtige Geschichten, Themen, die uns alle etwas angehen” erzählen. Deshalb arbeitet er vertieft an wenigen Themen. „Die Digitalisierung hat die Fotoszene durchgerüttelt. Das Bildgeschäft ist schneller geworden, das Bildangebot auf dem Markt ist inflationär. Abheben kann sich eine Fotografie, welche eine eigene Qualität bietet und den Fragen nach dem ‚Was, warum, wie?’ nachgeht.”
Seibert ist schon seit Jahren für namhafte Magazine tätig wie „Time Magazine”, „Newsweek”, „Geo”, für „du” und „Das Magazin”. Seit einiger Zeit ist die klassische Magazinfotografie allerdings stark zurückgegangen. „Einen Auftrag, während ein bis zwei Wochen eine Reportage zu realisieren, erhältst Du nur noch selten.” Seibert zeigt deshalb seine Bilder gelegentlich über Slideshows, hat ein Buch publiziert und macht Ausstellungen. „Die sind mir wichtig, weil hier auch Diskussionen zu den Themen möglich sind.” Mit Ausstellungen und Büchern macht man allerdings nicht das grosse Geschäft. Und das Internet sei für die Fotografie zwar eine tolle Plattform, sagt Seibert, für seine Art der Fotografie biete es kaum kommerzielle Verwertungsmöglichkeiten.
Seibert ist überzeugt von der Kraft des Standbildes. Diese Qualität habe der Film nicht, aber die beiden Medien hätten halt unterschiedliche Stärken: „Das Repetitive an der Kinderarbeit in einer Ziegelfabrik ist mit der Fotografie schwer wiederzugeben.” Die spezifischen Ausdruckformen der beiden Medien zeigen sich im Film gut, denn Villi Hermann filmt dort, wo Andreas Seibert fotografiert. Und er blendet in die Filmsequenzen immer wieder starke Fotobilder ein, welche Andreas Seibert dort realisiert hat.

Der Dokfilmer Hermann und der Fotograf Seibert formulieren in„From Somewhere to Nowhere” ein Plädoyer für die grosse Fotoreportage. (EDITO)

© EDITO 2009