Ausgewechselt wie bei einem Fussballtrainer: Verleger Wagner holt quasi über Nacht Markus Somm
als Chefredaktor von der Weltwoche zur Basler Zeitung. Wird die BaZ ein rechtsbürgerliches
Blatt?
Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: eine rechtsbürgerliche Szene
übernimmt die „Basler Zeitung“. Tito Tettamanti, Financier mit Nähe zur SVP, hatte
im Februar die Mehrheit an der „Basler Zeitung“ gekauft. Nie vollkommen ausgeräumt
wurden Vermutungen, dass hinter der Tettamanti-Beteiligung an der BaZ noch andere Geldgeber aus dem
konservativen Lager stehen. Verleger und Minderheitsbesitzer wird Martin Wagner, der bereits
Verwaltungsratspräsident der rechtskonservativen „Weltwoche“ von Roger Köppel ist.
Dann tritt entgegen anderslautenden Ankündigungen Matthias Hagemann, der vorherige
Verwaltungsratspräsident und Besitzer, kurz nach dem Verkauf kommentarlos aus dem neuen
Verwaltungsrat der BaZ aus. Der Einfluss von Tettamanti auf die politische Ausrichtung der Zeitung sei
massiv stärker, als man erwartet habe, sogar grösser, als Verleger Wagner angenehm sei,
berichtet das „Regionaljournal Basel DRS“. Und jetzt haben Tettamanti und Wagner den
bisherigen stellvertretenden Chefredaktor der „Weltwoche“, Markus Somm, zum Chefredaktor der
Basler Zeitung gemacht. Der bisherige Redaktionsleiter Matthias Geering wurde stillos vor die Türe
gesetzt.
Ist Tettamantis „Basler Zeitung“ kein publizistisch-journalistisches,
sondern ein politisches Projekt? Wird die Tageszeitung für die Region Basel nach rechts umgepolt?
Diese Fragen stellen sich unwillkürlich. Denn Markus Somm hatte den Kurs der
„Weltwoche“ wesentlich mitgeprägt. Recherche und Fakten stünden im Zentrum seines
Journalismus, sagt Somm. In der „Weltwoche“ hat er aber vor allem Meinungsjournalismus
betrieben. Liest man seine Artikel, unterscheiden sich seine Positionen eher selten von jenen der
SVP.
Somm selbst hat ein BaZ-Projekt vorgestellt, das eine Vielfalt von Meinungen garantieren
soll: Guten Journalismus, ein starkes Gewicht auf Recherchen, Faktenorientierung, eine Absage an den
thematischen Rückzug aufs Regionale, das Suchen von „anderen“ journalistischen
Perspektiven, eine offene Debatte und damit Meinungsvielfalt und Gegenpositionen. Somm selbst will
regelmässig Leitkommentare mit pointierter Meinung ins Blatt setzen. Will er also einen Kurswechsel
der BaZ zu einem rechtspolitischen Blatt? So würde er das nicht sagen, antwortet Somm nebulös.
Die Zeitung werde „ausgewogener“, „das ganze Spektrum“ an Meinungen solle
stärker zum Ausdruck kommen. Neu dabei sei eine „dezidiert liberale Position“, die er
selbst einbringen werde.
Solche Aussagen erwecken den falschen Eindruck, die BaZ sei bisher ein
linkes Blatt gewesen. Was also darf man erwarten, was muss man befürchten von einem bisherigen
Weltwoche-Exponenten, wenn man doch weiss, dass von der Weltwoche alle Medien neben ihr als
„links“ kategorisiert worden sind?
Skepsis ist angesagt, ob da nicht eine Zeitung
für ein politisches Manöver missbraucht wird. Aber es gilt dennoch zu
relativieren.
Entscheidend für die Zukunft der BaZ wird sein, ob das Redaktionsteam das
gleiche bleibt und eigene Positionen bezieht. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die heutigen
BaZ-Redaktoren vorsagen lassen, was sie zu schreiben haben. Ebenso wichtig sein wird, wie die
Leserschaft reagiert und ob sie sich in „ihre“ Zeitung einmischen wird. Eine
Schlüsselrolle spielt der bisherige stellvertretende Chefredaktor Urs Buess, der in dieser Position
bestätigt worden ist. Das sei eingehend so besprochen und keine Übergangslösung, beteuern
Wagner und Somm. Urs Buess, ein Baselbieter, früher stellvertretender Chefredaktor beim
„Tages-Anzeiger“, gilt keineswegs als „Weltwoche“-Fan, sondern eher als Linker.
Somm und Buess kennen sich gut aus vergangenen gemeinsamen Zeiten beim „Tages-Anzeiger“. Man
sei sich inhaltlich in den meisten Fragen politisch nicht einig, sagt Buess. Aber er glaubt an einen
offenen Kurs bei der BaZ und die versprochene Vielfalt der Meinungen. Auch Verleger Wagner bezeichnet es
„ Auftrag“, dass sich durch die Texte von Somm und Buess kontroverse Debatten
ergeben.
Somm hat an seinem ersten Arbeitstag bei der BaZ gleich den Leitkommentar geschrieben.
Das Thema ist programmatisch gewählt. „Nicht Redeverbote schützen die Demokratie,
sondern das freie Wort für jeden.“ Thema sind die empörenden Aussagen des Deutschen
Thilo Sarrazin. Der scheine „derzeit der einzige Politiker zu sein, der die Deutschen zu einer
Debatte zu verführen vermag, die sich um Dinge dreht, über welche die Eliten nicht reden
wollen“, kommentiert Somm. Es geht um die Frage der Immigration. Die Debatte zu führen, auch
wenn sie unangenehm ist - das ist tatsächlich eine Aufgabe der Medien. Gerne hätte man von
Somm nicht nur gelesen, dass Sarrazin ein „brillanter Kopf“ sei und sich in einer liberalen
Gesellschaft „jeder öffentlich irren dürfe“, sondern auch, was der neue
Chefredaktor der BaZ von Sarrazins rassistischen Äusserungen hält.
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