Annonces Medienstellen
StartseiteAktuelle AusgabeKommentare


Kommentar von Philipp Cueni

Ausgewechselt wie bei einem Fussballtrainer: Verleger Wagner holt quasi über Nacht Markus Somm als Chefredaktor von der Weltwoche zur Basler Zeitung. Wird die BaZ ein rechtsbürgerliches Blatt?

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: eine rechtsbürgerliche Szene übernimmt die „Basler Zeitung“. Tito Tettamanti, Financier mit Nähe zur SVP, hatte im Februar die Mehrheit an der „Basler Zeitung“ gekauft. Nie vollkommen ausgeräumt wurden Vermutungen, dass hinter der Tettamanti-Beteiligung an der BaZ noch andere Geldgeber aus dem konservativen Lager stehen. Verleger und Minderheitsbesitzer wird Martin Wagner, der bereits Verwaltungsratspräsident der rechtskonservativen „Weltwoche“ von Roger Köppel ist. Dann tritt entgegen anderslautenden Ankündigungen Matthias Hagemann, der vorherige Verwaltungsratspräsident und Besitzer, kurz nach dem Verkauf kommentarlos aus dem neuen Verwaltungsrat der BaZ aus. Der Einfluss von Tettamanti auf die politische Ausrichtung der Zeitung sei massiv stärker, als man erwartet habe, sogar grösser, als Verleger Wagner angenehm sei, berichtet das „Regionaljournal Basel DRS“. Und jetzt haben Tettamanti und Wagner den bisherigen stellvertretenden Chefredaktor der „Weltwoche“, Markus Somm, zum Chefredaktor der Basler Zeitung gemacht. Der bisherige Redaktionsleiter Matthias Geering wurde stillos vor die Türe gesetzt.

Ist Tettamantis „Basler Zeitung“ kein publizistisch-journalistisches, sondern ein politisches Projekt? Wird die Tageszeitung für die Region Basel nach rechts umgepolt? Diese Fragen stellen sich unwillkürlich. Denn Markus Somm hatte den Kurs der „Weltwoche“ wesentlich mitgeprägt. Recherche und Fakten stünden im Zentrum seines Journalismus, sagt Somm. In der „Weltwoche“ hat er aber vor allem Meinungsjournalismus betrieben. Liest man seine Artikel, unterscheiden sich seine Positionen eher selten von jenen der SVP.

Somm selbst hat ein BaZ-Projekt vorgestellt, das eine Vielfalt von Meinungen garantieren soll: Guten Journalismus, ein starkes Gewicht auf Recherchen, Faktenorientierung, eine Absage an den thematischen Rückzug aufs Regionale, das Suchen von „anderen“ journalistischen Perspektiven, eine offene Debatte und damit Meinungsvielfalt und Gegenpositionen. Somm selbst will regelmässig Leitkommentare mit pointierter Meinung ins Blatt setzen. Will er also einen Kurswechsel der BaZ zu einem rechtspolitischen Blatt? So würde er das nicht sagen, antwortet Somm nebulös. Die Zeitung werde „ausgewogener“, „das ganze Spektrum“ an Meinungen solle stärker zum Ausdruck kommen. Neu dabei sei eine „dezidiert liberale Position“, die er selbst einbringen werde.

Solche Aussagen erwecken den falschen Eindruck, die BaZ sei bisher ein linkes Blatt gewesen. Was also darf man erwarten, was muss man befürchten von einem bisherigen Weltwoche-Exponenten, wenn man doch weiss, dass von der Weltwoche alle Medien neben ihr als „links“ kategorisiert worden sind?

Skepsis ist angesagt, ob da nicht eine Zeitung für ein politisches Manöver missbraucht wird. Aber es gilt dennoch zu relativieren.

Entscheidend für die Zukunft der BaZ wird sein, ob das Redaktionsteam das gleiche bleibt und eigene Positionen bezieht. Es ist nicht anzunehmen, dass sich die heutigen BaZ-Redaktoren vorsagen lassen, was sie zu schreiben haben. Ebenso wichtig sein wird, wie die Leserschaft reagiert und ob sie sich in „ihre“ Zeitung einmischen wird. Eine Schlüsselrolle spielt der bisherige stellvertretende Chefredaktor Urs Buess, der in dieser Position bestätigt worden ist. Das sei eingehend so besprochen und keine Übergangslösung, beteuern Wagner und Somm. Urs Buess, ein Baselbieter, früher stellvertretender Chefredaktor beim „Tages-Anzeiger“, gilt keineswegs als „Weltwoche“-Fan, sondern eher als Linker. Somm und Buess kennen sich gut aus vergangenen gemeinsamen Zeiten beim „Tages-Anzeiger“. Man sei sich inhaltlich in den meisten Fragen politisch nicht einig, sagt Buess. Aber er glaubt an einen offenen Kurs bei der BaZ und die versprochene Vielfalt der Meinungen. Auch Verleger Wagner bezeichnet es „ Auftrag“, dass sich durch die Texte von Somm und Buess kontroverse Debatten ergeben.

Somm hat an seinem ersten Arbeitstag bei der BaZ gleich den Leitkommentar geschrieben. Das Thema ist programmatisch gewählt. „Nicht Redeverbote schützen die Demokratie, sondern das freie Wort für jeden.“ Thema sind die empörenden Aussagen des Deutschen Thilo Sarrazin. Der scheine „derzeit der einzige Politiker zu sein, der die Deutschen zu einer Debatte zu verführen vermag, die sich um Dinge dreht, über welche die Eliten nicht reden wollen“, kommentiert Somm. Es geht um die Frage der Immigration. Die Debatte zu führen, auch wenn sie unangenehm ist - das ist tatsächlich eine Aufgabe der Medien. Gerne hätte man von Somm nicht nur gelesen, dass Sarrazin ein „brillanter Kopf“ sei und sich in einer liberalen Gesellschaft „jeder öffentlich irren dürfe“, sondern auch, was der neue Chefredaktor der BaZ von Sarrazins rassistischen Äusserungen hält.

Ihre Meinung zum Thema? Schreiben Sie uns!
>> Kommentar senden

Mehr zum Thema BaZ in der nächsten gedruckten Ausgabe von EDITO.

© EDITO 2010 / Online 1.9.2010


Druckversion