Die „Basler Zeitung” enthüllte, dass die britische Aegis Defence Services in der Schweiz einen Holdingsitz eingerichtet hat. Jetzt geht die Militärfirma gegen BaZ und „SonntagsZeitung” vor Gericht. Von Philipp Cueni
Das wahre Gesicht der britischen Aegis Defence Services”: Darüber schrieben vergangenen Spätsommer Christian Mensch und Markus Parzeller in der „Basler Zeitung”. Und sie beschwerten sich gleich direkt im Text: „Konkrete Anfragen werden von der Aegis Defence allesamt abgeblockt. Stattdessen hat die Militärfirma die Anwaltskanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob engagiert, um gegen recherchierende Medien den Drohfinger zu heben. Unter Androhung rechtlicher Schritte verlangt Anwalt Daniel Glasl nicht nur bei der ‚Basler Zeitung’, sondern auch bei der ‚SonntagsZeitung’ sowie bei der ‚NZZ am Sonntag’ eine Korrektur von angeblichen Falschmeldungen sowie eine Entschuldigung.” Das war am 6. September. Einen Monat zuvor, am 9. August, hatte die BaZ unter dem Titel „Britische Privatarmee ist in Basel gelandet” berichtet, die Aegis Defence Services habe in Basel neu einen Holdingsitz eingerichtet. Das Unternehmen wird als eine der weltgrössten Privatarmeen beschrieben, die Aegis Defence Services selbst bezeichnet sich als „Sicherheits- und Risikomanagementfirma”. Die Enthüllung der BaZ über den neuen Holdingsitz wurde in anderen Schweizer Medien aufgenommen und führte zu politischen Vorstössen im Nationalrat. Seither hat der Bundesrat einen Gesetzesentwurf in Auftrag gegeben, der eine strenge Informationspflicht für im Ausland tätige Sicherheitsfirmen definiert. Nun hat die Aegis am 25. März 2011 beim Zivilgericht Basel-Stadt eine Klage gegen die BaZ eingereicht. Geführt wird die Klage von Daniel Glasl aus der Anwaltskanzlei Bratschi Wiederkehr & Buob. Bereits am 22. August 2010 hatten die Aegis-Anwälte bei der BaZ-Chefredaktion interveniert. In einem späteren Vermittlungsverfahren konnten sich die Parteien nicht einigen. Die grosse Anwaltskanzlei an der renommierten Zürcher Bahnhofstrasse hat Erfahrung mit Klagen gegen Medien. So vertrat sie den ehemaligen Botschafter Thomas Borer, den früheren Swissfirst-Banker Thomas Matter und den Nachtclubbesitzer Carl Hirschmann.
Massive Klage. Die Kläger fahren gegen die BaZ und die beiden Autoren schweres Geschütz auf: Sie sprechen von „skandalös unverantwortlichem Journalismus”, charakteristisch für die gesamte Berichterstattung sei ein „gezielter Verzicht auf Differenzierung”. Die BaZ stelle falsche Behauptungen auf, und es würden „falsche Zusammenhänge” hergestellt. Die Zeitung habe unwahre und verletzende Berichte über die Aegis publiziert, sie habe dem Unternehmen mit schwerwiegenden Verunglimpfungen geschadet. Die Klage enthält Ausdrücke wie „Falschberichte”, „Unwahrheiten”, „Diffamierungen”, „Rufschädigung”, „herabwürdigende Werturteile”, „schwere Verletzung der Persönlichkeit”, „schwere Herabsetzung unter lauterkeitsrechtlichen Gesichtspunkten” und bezeichnet die BaZ-Texte als „tendenziös”, „perfide”, „irreführend”, „böswillig”. Die Aegis klagt, die Journalisten hätten bei den Beschuldigten zu keinem Zeitpunkt nachgefragt, kein Recherchegespräch durchgeführt und die Firma weder mit den genannten schwerwiegenden Vorwürfen konfrontiert, noch sie dazu angehört. Die BaZ bestreitet das vehement. Rechtlich wird von Aegis auf eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte und auf eine Verletzung des Gesetzes über unlauteren Wettbewerb geklagt. Die Aegis verlangt einen Schadenersatz von 267 905.25 Franken unter dem Vorbehalt, bei einem grösser ausfallenden Gesamtschaden eine Nachklage geltend zu machen. Zudem verlangt das Unternehmen die Herausgabe jenes Gewinnes, der durch die beklagten Artikel mit dem Zeitungsverkauf gemacht worden ist. Und schliesslich will die Aegis eine Wiederholung von bestimmten Aussagen verbieten. Materiell bestreitet das Unternehmen eine grosse Zahl der Aussagen der BaZ über die Aegis und ihren Kopf und Firmenchef Tim Spicer. Die BaZ verkenne zudem bewusst, dass die Aegis Holding in Basel überhaupt nichts mit dem operativen Geschäft der Firma zu tun habe. Ausserdem führe die Aegis keine Söldnertruppe und nehme nicht an Kampfaktivitäten teil, wie das die BaZ unterstelle. BaZ-Autor Christian Mensch kontert die Vorwürfe: „Wir haben die Aegis auf Grund der Faktenrecherche und unserer Einschätzung kritisch dargestellt, nicht mehr und nicht weniger. Die heftigen Reaktionen in Bundesbern haben uns einerseits erstaunt, andererseits bestätigt, dass ein genaues Hinsehen und eine Debatte über solche Firmen richtig sind. Wir haben selbstverständlich nach den journalistischen Regeln gearbeitet. Wir haben zu den aufgeführten Fakten die Quellen genannt. Und wir haben die Aegis regel- und standardmässig um Stellungnahmen angefragt – leider oft aber keine oder verspätet nur summarisch Antworten auf unsere Fragen erhalten.”
Schwierige Bewertung. Es ist unmöglich, hier die Aussagen der BaZ-Texte, welche von der Aegis bestritten und mit der Klage angefochten werden, materiell zu überprüfen und so die Klage beurteilen zu können. Auffallend bei der Lektüre der entsprechenden BaZ-Texte ist, dass tatsächlich ein sehr kritisches oder sogar negatives Bild der Aegis gezeichnet wird. Journalistisch relevant ist aber, ob diese Kritik angebracht und verhältnismässig ist und ob die Fakten stimmen. Die Aegis-Anwälte kritisieren, die BaZ stelle das Defence-Service-Unternehmen in ein schlechtes Licht und blende zum Beispiel aus, dass die Firma über ausgezeichnete Referenzen verfüge, etwa von ihrem Hauptkunden, der US-Regierung. Tatsächlich verweist die BaZ aber darauf. Sie belegt ihre kritische Darstellung von der Aegis mit vielen Quellen, auch solchen aus den USA: „Aegis-CEO Tim Spicer war in eine Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen rund um den Globus verwickelt. Angesichts seiner Geschichte sollte die USA die Aufhebung des Vertrages mit seiner Firma erwägen”, zitiert die BaZ eine Äusserung des damaligen Senators von Illinois im „Morning Star”. Dieser Senator, Barak Obama, ist heute Präsident der USA. Die BaZ stellt in ihren Texten immer wieder, wenn auch kurz, die Argumente der Aegis dar, auch deren Engagement bei der Festlegung von Standards und bei der Aufsicht im Bereich von Sicherheitsfirmen. Es fällt auf, dass sich die BaZ wiederholt beklagt, die Firma und deren Beauftragte würden die Fragen der Zeitung nicht beantworten. Das steht in krassem Gegensatz zum Vorwurf der Aegis in der Klageschrift, man sei nie angehört worden. Man könne belegen, dass die Vorwürfe der Aegis falsch seien, heisst es bei der BaZ. Es ist legitim, gegen sachlich falsche Behauptungen von Journalisten zu klagen. Ohne die Aussagen der BaZ-Texte abschliessend überprüfen zu können, erhält man aber den starken Eindruck, die Klage der Aegis und ihrer Anwälte diene als Druckmittel gegen kritischen Journalismus. Auch eine hohe öffentliche Relevanz des Themas rechtfertigt keine journalistischen Fehlleistungen. Die BaZ muss die Vorwürfe belegen und Behauptungen beweisen können. Die politische Debatte und die gesetzgeberischen Aktivitäten, welche die Enthüllungen der BaZ ausgelöst haben, bestätigen aber zumindest, dass die Recherchen von Christian Mensch und Markus Parzeller von grossem öffentlichem Interesse sind. Die Klage ist eingereicht. Jetzt ist die Gegenseite am Zug. Felix Suter, der Anwalt der BaZ, bestreitet die Darstellungen der Aegis, wie diese sie in ihrer Klage vortragen lässt. „Ich bin davon überzeugt, dass unsere Redaktion sauber und korrekt arbeitet.” Die Firma Aegis spricht in ihrer Klageschrift von einer „schweizweiten Medienkampagne”. Entsprechend hat sie auch gegen die „SonntagsZeitung” respektive Tamedia geklagt. Tamedia-Anwalt Simon Canonica bestätigt das: „Wir beantragen eine Abweisung der Klage und werden unsere Redaktion gegen die Vorwürfe verteidigen.”
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