Eine wichtige Rolle im Mediengeschäft spielen die Vermarkter von Werbung. Goldbach Media wird grösser und grösser und bedrängt im Werbegeschäft die SRG und auch die Publicitas. Das hat durchaus auch politische Dimensionen. Von Markus Knöpfli
Die Vermarktung von Schweizer Werbefenstern auf ausländischen TV-Programmen, die in der Schweiz empfangen werden, ist ein gutes Geschäft. 2009 holten sich die ausländischen Werbefenster 151 Millionen Franken – die meisten notabene durch das blosse Austauschen von Werbeblöcken! 267 Millionen gingen an die SRG und 44 Millionen an die Schweizer Privat-TVs. Um ihre Werbefenster mit Schweizer TV-Werbung zu füllen, haben die ausländischen Senderbetreiber derzeit zwei Schweizer Agenturen beauftragt. Die meisten wählten dafür die IP Multimedia, eine Firma, die mehrheitlich zum wenig bekannten Werbevermarkter Goldbach Media AG in Küsnacht (ZH) gehört. Goldbach Media bezeichnet sich selbst als „führend” in der Vermarktung privater elektronischer Medien in der Schweiz. Allein durch die Akquisition von TV-Werbung setzte sie letztes Jahr rund 150 Millionen Werbefranken um. IP Multimedia vertritt ihre Werbefenster in der Schweiz exklusiv, sie akquiriert aber auch Werbung für Schweizer Privat-TVs, Lokalradios, Internet, mobile Geräte (Handy, Blackberry, iPad) und Werbebildschirme. Die Hauptkonkurrenz als Werbefenster-Vermarkterin ist die Cinecom Publicitas, eine 100-Prozent-Tochter der Lausanner PubliGroupe, die wie Goldbach Media Werbung für elektronische Medien akquiriert, vor allem aber im Zeitungsgeschäft (Inserateverkauf) tätig ist. Cinecom Publicitas betreut derzeit die Werbefenster von Sat.1 und kabel eins (Umsatz 2009: rund 40 Millionen). Doch ab 2011 wird sich diese Situation markant ändern. Die Firma SevenOne Media Schweiz AG, die hierzulande die deutschen TV-Werbefenster Sat.1, kabel eins und ProSieben betreibt, hat im Juli beschlossen, alle ihre Sender künftig von der Goldbach-Tochter vermarkten zu lassen. Bisher hatte sie der IP bloss ProSieben anvertraut. Publicitas Cinecom wird entsprechend leer ausgehen. „Wir haben uns fürs Bündeln entschieden, um der Werbewirtschaft die Stärke unserer Sendergruppe noch gezielter anbieten zu können”, sagt Hardy Lussi, Managing Director von SevenOne Media Schweiz. Mit eine Rolle für den Entscheid pro IP habe die bessere Vermarktungsleistung in der Vergangenheit gespielt, und auch, dass SevenOne Media zu 23 Prozent an der Goldbach-Tochter beteiligt ist.
„Quasimonopol”. Für Publicitas Cinecom, die schon bisher kein grosser Player im TV-Markt war, bedeutet dieser Entscheid ein Absinken in die Bedeutungslosigkeit. Ihr bleibt einzig noch die Vermarktung des kleinen Schweizer Senders 3+. Doch auch das ist unsicher, denn der Vertrag läuft Ende Jahr aus, und 3+ evaluiert Alternativen. Die IP Multimedia hingegen verzeichnet dank den neuen Mandaten einen Volumenzuwachs von etwa 35 Millionen Franken, vor allem aber erhält sie nun im TV-Markt eine Stellung, die selbst der Verband der Schweizer Werbeauftraggeber (SWA) als „Quasimonopol” kritisierte. Denn neben der IP gibt es praktisch nur noch die Marktführerin, die SRG-Vermarkterin Publisuisse (eine SRG-Tochter), die aber keine Werbung für Privatsender akquiriert. Kein Wunder, ist auch die Wettbewerbskommission hellhörig geworden. Doch den Vorwurf der Monopolstellung akzeptiert Lussi nicht. „Solange die Sender der SRG doppelt so viel Umsatz generieren wie sämtliche Schweizer Werbefenster zusammen, kann doch von einem Monopol nicht die Rede sein”, sagt er. Im Gegenteil sei eine Stärkung der Privaten gegenüber der SRG wichtig: „Wenn die Bündelung der Werbefenster bei der IP zu einer solchen Stärkung beiträgt, ist dies ein angenehmer Nebeneffekt” und kann für die gesamten TV-Werbewirtschaft von Nutzen sein”, sagt Lussi. Der Entscheid der SevenOne Media hat aber nicht nur wettbewerbspolitsche, sondern auch medienpolitische Aspekte. Zum einen, weil die Stärkung der Goldbach Media gleichzeitig eine Schwächung der PubliGroupe zur Folge hat. Mehr noch: Der Verlust der Werbefenster lässt die vor vier Jahren eingeleitete Allmedia-Strategie der PubliGroupe – die Vermarktung aller Mediengattungen – ausgerechnet beim wichtigen Medium TV wie eine Seifenblase platzen. Zur Erinnerung: PubliGroupe hatte bisher ihr Kerngeschäft im Verkauf der Annoncen für die Zeitungsverlage und ist auch an der NZZ-Gruppe beteiligt.
Bürglich und Anti-SRG. Ein weiterer Aspekt: Die Goldbach Media ist nicht nur Werbevermarkterin, sondern auch ein Unternehmen mit klar bürgerlich positionierten Exponenten und mit starker Anti-SRG-Schlagseite. Das ergibt sich schon aus der Geschichte des Unternehmens, an dessen Anfang das ehemalige Zürcher Lokalradio Radio Z (heute Energy Zürich) stand. Der Zürcher Lokalsender und seine Werbevermarktung war 1983 von Personen um Klaus Kappeler, dem heutigen Goldbach-CEO, gegründet worden. „Radio Z war eine Antwort von bürgerlicher und wirtschaftlicher Seite auf Roger Schawinskis Radio 24”, sagt Lukas Briner, heute Direktor der Zürcher Handelskammer und ehemaliger Verwaltungsrat von Radio Z. Mit im Verwaltungsrat von Radio Z sassen beispielsweise Autoimporteur und SVP-Mitglied Walter Frey oder Medienunternehmer Beat Curti. Letzterer sitzt aktuell noch im Goldbach-Verwaltungsrat. Heute steht bei Goldbach kein Verwaltungsrat mehr im Rampenlicht. Diese Aufgabe hat längst die 34jährige Natalie Rickli übernommen. Rickli ist bei Goldbach Media und IP Multimedia als „Partner Relation Manager” tätig und gehört zum Firmenkader – und sie ist SVP-Nationalrätin mit Schwerpunkt Medienpolitik. Zusammen mit FDP-Nationalrat Filippo Leutenegger führt sie zudem die Aktion Medienfreiheit an, eine Phalanx rechtsbürgerlicher SRG-Kritiker. Ihr medienpolitisches Credo umschreibt Rickli gegenüber EDITO so: „Ich setze mich für eine liberale Medienordnung und für private Medienunternehmen ein, die vom Staat unabhängig sind, politisch und finanziell. Die Politik hat die Aufgabe, gute Rahmenbedingungen für die privaten Medien zu schaffen.”
SRG im Schussfeld. So gesehen erscheint Ricklis medienpolitisches Engagement mit den vielen Angriffen auf die SRG in einem ganz neuen Licht: Offensichtlich vertritt die Jungpolitikerin primär ihre eigenen Geschäftsinteressen. Ricklis parlamentarische Arbeit zeigt dies deutlich: Von den 51 parlamentarischen Vorstössen seit 2007 sind 18 in irgendeiner Form gegen die SRG und ihre Finanzen gerichtet. Ein weiteres Beispiel: Vor zwei Jahren, als Ringiers Radio Energy bei der Neukonzessionierung leer ausging, setzte sich Rickli auf politischer Ebene für eine zusätzliche UKW-Frequenz für Energy ein. Nicht von ungefähr: Für Goldbach Media, die das vormalige Radio Z bis heute exklusiv vermarktet, war die Weiterexistenz des zweitgrössten Schweizer Lokalradios enorm wichtig. War die Nationalrätin also auf Wunsch ihres Chefs Kappeler aktiv geworden? Sie habe keine Zeit, mit Kappeler solche Dinge zu besprechen, sagte sie damals. „Ich bin eine unabhängige Politikerin und habe keine derartigen Interessenbindungen.” Unabhängig? Als Vizepräsidentin der Aktion Medienfreiheit setzt sie sich erklärtermassen für mehr Medienwettbewerb ein. Doch würde sie wirklich zielgerichtet und von Goldbach Media unabhängig politisieren, dann müsste sie nun konsequenterweise gegen das Quasimonopol der IP Multimedia im TV-Markt protestieren. Tut sie aber nicht. Und schreibt auf Anfrage: „Die Aktion Medienfreiheit nimmt zu Verschiebungen innerhalb der privaten Medienlandschaft keine Stellung.”
Markus Knöpfli ist Journalist in Basel.
Auch darum ging PubliGroupe leer ausDass die PubliGroupe die Vermarktung von kabel eins und Sat.1 Schweiz verlor, sei „der vorläufige Höhepunkt eines Debakels”, das vor vier Jahren mit der Allmedia-Strategie seinen Anfang genommen habe. Dies sagt ein ehemaliges Kadermitglied der PubliGroupe zu EDITO, will aber nicht genannt werden. Seither haben altgediente Kader-Mitarbeiter reihenweise das Unternehmen verlassen. In dieser instabilen Situation zeigte Hanspeter Rohner wenig Fingerspitzengefühl: Er, der sowohl CEO als auch VR-Präsident der PubliGroupe ist, kandidierte dieses Jahr für den Posten des SRG-Generaldirektors – ohne Erfolg. Die Bereitschaft des Firmenkapitäns, sein Schiff ausgerechnet jetzt zu verlassen, hat der PubliGroupe Vertrauen gekostet – nicht nur das von SevenOne Media.
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